PLASTIK-PHANTASIE

Regine Bruckmann
ZITTY 8/99

„Däumeline“ vom Theater SiebenSchuh

Das ist ja alles aus Plastik, aber so schön bunt hier: Anne Swoboda und Sabine Kolbe veranstalten erstmal einen Waschtag auf der Bühne. Auf den durchsichtigen Plastikhosen und Hemden, die sie aufhängen, blühen pinkfarbene Blumen, tummeln sich gelb-türkis leuchtende Kringelmuster, und es dauert eine geschäftige Weile, bis sie es dann doch sagen: Es war einmal.
Das schwermütige Märchen von der winzigen, aus einer Blume geborenen Däumeline und ihrer langen Reise zu sich selbst haben die beiden Frauen in ein Pop-Art-Plastik-Puppentheater verwandelt.

Däumeline wird auf einem kunstgrünen Spülschwamm zur Ruhe gebettet, das Waschbrett dient ihr als Rutsche, Wäscheklammern verwandeln sich in hilfsbereite Fische. Immer wieder überwinden Swoboda und Kolbe die Grenze zwischen dem Wirklichen und dem Vorgestellten. Und das ist für Erwachsene, im Gegensatz zu Kindern, ein echtes Kunststück. Man glaubt es kaum: Mit einem einfachen Overheadprojektor werden Marmorschlösser und Mäusehöhlen nicht nur imaginiert, sondern auf nie gesehene Weise belebt.

Die zarte Traurigkeit, mit denen Hans Christian Andersen seine Geschichten unterfütterte, diese melancholische Stimmung, geht freilich in der munteren Machart ein wenig unter. Das Erstaunen über den schier unerschöpflichen Einfallsreichtum der beiden Theatermacherinnen ist so groß, daß man den Gang der Geschichte manchmal aus dem (erwachsenen) Blick verliert. Kinder sehen aber anders, weil sie in ihrem Kopf mehr Platz haben für den phantastischen Vorgang im Hintergrund.

Die Puppenspielerin Anne Swoboda und die Schauspielerin Sabine Kolbe "bündeln", so die Selbstdarstellung, seit 1998 ihre Kräfte unter dem Theaternamen "Sieben Schuh". Beide sind gleichzeitig Theaterpädagoginnen und haben sich viel vorgenommen: Neben den Vorstellungen wollen sie spielerische Lesungen für Grundschüler anbieten und zusätzlich Workshops zu Themen wie Puppenspiel und Materialtheater. Kinder, so ist zu hoffen, können im Theater SiebenSchuh vor allem eins finden: das Vertrauen in die eigene, alles verwandelnde Kraft des Spiels.

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